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Studie zu Alkoholtoten : Tausende Deutsche trinken sich zu Tode

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Vorsätzliches Besaufen: Nicht nur auf dem Rockfestival Hurricane gehört das für viele einfach dazu Bild: dpa

Die Deutschen trinken doppelt so viel Alkohol wie andere Nationen – und zahlen dafür einen hohen Preis: Etwa 15.000 Menschen sterben jährlich daran. Dabei wäre es gar nicht so schwer, daran etwas zu ändern, sagen Fachleute.

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          Übermäßiges Trinken fordert in Deutschland fast viermal so viele Opfer wie der Straßenverkehr. 2012 starben hierzulande 14.551 Menschen an den Folgen ihres Alkoholkonsums. Das hat das Statistische Bundesamt anlässlich des Internationalen Weltdrogentages am 26. Juni ausgerechnet. Bei Verkehrsunfällen kamen im selben Jahr 3827 Menschen zu Tode, wie die Statistiker am Dienstag mitteilten.

          Um die Zahl der Alkoholtoten aus der Todesursachenstatistik herauszufinden, holten sich die Wiesbadener Rat bei einem Gremium aus Fachleuten. Das listet mehr als zwei Dutzend alkoholbedingte Todesursachen auf, von Alkoholgastritis bis Zirrhose. Leberschädigungen sind mit 7812 Fällen die häufigste Todesursache bei Alkoholikern. Am zweithäufigsten ist die Bauchspeicheldrüse betroffen. Aber auch Herzmuskel, Lunge oder Nervensystem können so stark geschädigt werden, bis sie versagen. Bei knapp 4000 Toten wird schlicht und einfach „Abhängigkeitssyndrom“ als Ursache genannt, eine Diagnoseziffer, in der unspezifisch alle möglichen Alkohol-Folgeschäden verschlüsselt werden – bis hin zum Suizid.

          Zahl der Alkohol-Toten könnte noch höher liegen

          Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) glaubt, dass die Zahl der Alkohol-Toten in Wahrheit weit höher liegt. Das Statistische Bundesamt zählt nur jene Todesfälle, bei denen der Arzt einen Zusammenhang mit Alkohol erkennt und auf dem Totenschein notiert hat. Eine Studie der Universität Greifswald wählte 2002 einen weiteren Blickwinkel und kam auf fast 80.000 Alkoholtote pro Jahr.

          Egal ob knapp 15.000 oder 80.000: „Trinker und Raucher - das sind die Drogentoten in Deutschland. Danach kommt lange nichts“, sagt Raphael Gaßmann, Geschäftsführer der DHS im westfälischen Hamm. „Deutschland ist ein führendes Land beim Alkohol-Konsum und daher auch eine Alkohol-Problem-Nation.“

          Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) wird in Deutschland viel mehr getrunken als in anderen Ländern. Jeder Deutsche im Alter von mehr als 15 Jahren konsumiert im Schnitt 11,8 Liter reinen Alkohol im Jahr, das entspricht rund 500 Flaschen Bier. Rund um den Globus liegt der Alkoholkonsum mit 6,2 Litern an reinem Alkohol noch nicht einmal halb so hoch. Auch in Europa wird weniger getrunken: 10,9 Liter reiner Alkohol pro Jahr.

          Laut Epidemiologischem Suchtsurvey haben 7,4 Millionen Erwachsene in Deutschland Alkoholprobleme: 4,02 Millionen weisen einen riskanten Alkoholkonsum auf, weitere 1,61 Millionen einen Alkoholmissbrauch, 1,77 Millionen Erwachsene sind alkoholabhängig.  Getrunken wird vor allem Bier, das in Deutschland laut WHO mehr als die Hälfte des Konsums ausmacht. Es folgen Wein (28 Prozent) und harte Getränke (18 Prozent).

          Niedriger Preis als Ursache

          Hauptursache für den hohen Alkoholkonsum der Deutschen ist für den Sucht-Fachmann Gaßmann der niedrige Preis: Deutschland sei eines der wenigen Länder, in dem man sich für wenig Geld tottrinken könne. Auch drei weitere Punkte machen es seiner Ansicht nach den Süchtigen leicht: Alkohol sei an Kiosken und Tankstellen rund um die Uhr verfügbar. Hersteller dürften für Alkohol werben. Und der Jugendschutz stehe oft nur auf dem Papier. Bei allen vier Punkten könne man ansetzen, um die Zahl der Alkoholtoten zu senken, sagt Gaßmann. Das würde vor allem Männer das Leben retten: Von den gut 14.500 Alkohol-Toten des Jahres 2012 waren laut Statistischem Bundesamt knapp 11.000 männlich.

          Die gute Nachricht: Konsum und Todesfälle sind leicht rückläufig. Laut WHO lag der Pro-Kopf-Verbrauch von Alkohol in Deutschland vor zehn Jahren noch rund einen Liter höher. Und die Zeitreihe beim Statistischen Bundesamt zeigt, dass heute etwas weniger Menschen an alkoholbedingten Krankheiten sterben als vor zehn Jahren, wo es noch zwischen 16.000 und 17.000 Alkoholtote pro Jahr gab. Erst am Montag hat das Robert Koch-Institut eine Studie vorgestellt, die ebenfalls in diese Richtung weist. Demnach sank in den vergangenen Jahren der Alkoholkonsum von deutschen Jugendlichen.

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